Vom Austauschfieber gepackt

Lorène Sarrasin hat am Sprachassistenzprogramm von Movetia teilgenommen und ein Jahr lang in Deutschland ihre französische Muttersprache unterrichtet. Nach der Rückkehr in die Westschweiz wünschte sie sich, dass ihre Begeisterung auf ihre Schüler überspringt. Deshalb hat sie einen Klassenaustausch zwischen Schulen aus Romont und Hamburg organisiert.

Text: Marie Vuilleumier, Bilder: Susanne Goldschmid

Eine Woche lang herrschte auf dem Schulhof der Schule Cycle d’orientation in Romont ein buntes Gemisch aus Französisch und Deutsch. Grund dafür waren die Besucher aus Deutschland: Die Schülerinnen und Schüler der ersten Orientierungsstufe (9. HarmoS-Stufe) des Bezirks Glâne hatten im Rahmen eines Klassenaustauschs während einer Woche ihre Austauschpartner aus Hamburg zu Gast. Ihre Deutschlehrerin Lorène Sarrasin hat den Klassenaustausch möglich gemacht. Sie selber wurde schon früh vom Austauschfieber gepackt und wollte ihre Begeisterung an ihre Schüler weitergeben. «Mit 15 Jahren reiste ich zwei Wochen nach Deutschland. Das hat mich motiviert, mein Deutsch zu verbessern. Selber ein  Austauschprojekt auf die Beine zu stellen, war ein lang gehegter Traum.»

Den Stein ins Rollen brachte schliesslich Lorène Sarrasins Entschluss, am Sprachassistenzprogramm von Movetia teilzunehmen. Damals arbeitete sie bereits seit zwei Jahren als Deutschlehrerin in Romont, liebäugelte aber immer noch mit Deutschland. «Ich wollte schon immer einmal in Deutschland leben, um mich mit der deutschen Sprache noch vertrauter zu machen und meine Aussprache zu verbessern.» Je nach Land, in dem das Sprachassistenzprogramm absolviert wird, werden die Teilnehmenden für sechs bis neun Monate an eine ausländische Schule vermittelt. Lorène Sarrasin dachte deshalb, sie müsse ihre Stelle kündigen, um den Bildungsaufenthalt verwirklichen zu können. Doch sie rechnete nicht mit der bedingungslosen Unterstützung von Schulleiter Olivier Crausaz. Er bot Lorène Sarrasin einen unbezahlten Urlaub an und setzte sich bei der Freiburger Direktion für Erziehung, Kultur und Sport dafür ein, dass sie ihre Stelle nach ihrer Rückkehr aus Hamburg wieder übernehmen konnte. «Auslanderfahrung bietet in vielerlei Hinsicht einen riesigen Mehrwert: Man kriegt Einblicke in einen anderen Schulbetrieb, in die Arbeit anderer Lehrpersonen, und man lernt andere pädagogische Ansätze kennen. Davon kann unsere Schule nur profitieren.»

Auslanderfahrung bietet in vielerlei Hinsicht einen riesigen Mehrwert: Man kriegt Einblicke in einen anderen Schulbetrieb, in die Arbeit anderer Lehrpersonen, und man lernt andere pädagogische Ansätze kennen. Davon kann unsere Schule nur profitieren.

Engagierte Unterstützung durch eine Mentorin

So flog Lorène Sarrasin 2016 nach Hamburg. Eine Stelle an einer Hamburger Schule hatte sie bereits, und das Zimmer in einem Studentenwohnheim hatte ihre Mentorin in Deutschland, Bettina Cadir, bereits reserviert. Lorène Sarrasins Auftrag in Hamburg bestand darin, die Französischlehrer am Gymnasium Othmarschen zu unterstützen und einen Hauch Schweizer Kultur in die Schule zu bringen. Zuerst beobachtete Lorène Sarrasin nur, doch da es an der Schule viele zweisprachige Schülerinnen gibt, begann sie mit den Jugendlichen, die Französisch bereits etwas besser beherrschten, schon bald mit Lese- und Schreibübungen. Zudem absolvierte sie die Ausbildung für DELF-Prüfungsexperten und bereitete die Schüler auf ihre mündliche Abiturprüfung vor. «Mir war nie langweilig», erzählt Lorène Sarrasin. «Dank meiner zweijährigen Unterrichtserfahrung in der Schweiz fiel es mir leicht, auf die anderen Lehrpersonen zuzugehen und sie als Kollegen zu betrachten. Meine Mentorin Bettina Cadir wurde schnell eine Freundin.»

Ihr Aufenthalt in Hamburg gefiel ihr so gut, dass Lorène Sarrasin beschloss, das ganze Schuljahr zu bleiben. «Es war wirklich sehr interessant, ein anderes System mit anderen Stundenplänen kennenzulernen. Ich konnte den Schülern auch meine Kultur näherbringen, etwa, indem ich im Unterricht über die Nikolausfeier in Freiburg berichtete» erinnert sich Lorène Sarrasin.

Motiviert und voller Tatendrang zurück

Nach ihrer Rückkehr erhielt Lorène Sarrasin ihren neuen Stundenplan und traf ihre Schülerinnen und Schüler wieder. «Es war, als wäre ich nie weg gewesen», erzählt sie. Dass der Aufenthalt ihr viel gebracht hatte, war aber offensichtlich: «Sie strahlte und war hochmotiviert», erinnert sich Schulleiter Olivier Crausaz. Vor allem aber fühlte sich Lorène Sarrasin wohler in ihrer Lehrerrolle: «Ich spreche die ganze Zeit Deutsch mit den Schülern, mein Akzent hat sich verbessert und ich sehe, dass sich so die Schüler mehr anstrengen. Mein Unterricht ist authentischer, und es gelingt mir, den kulturellen Aspekt einzubringen, der mir vorher fehlte.»

Sofort begann Lorène Sarrasin mit der Planung eines Austauschprojekts; für sie eine Herzensangelegenheit. «Ich hatte nun Kontakte in Hamburg und damit alles, was es braucht. Es wäre schade gewesen, diese Chance nicht zu ergreifen.» Lorène Sarrasin besprach ihr Projekt mit dem Schulleiter, der begeistert war. «Jede Form des Austauschs ist für Schülerinnen und Lehrer positiv. Von administrativen Hürden sollten wir uns nicht ausbremsen lassen», betont Olivier Crausaz.

Somit wurde alles konkret. Das Austauschprojekt mit Hamburg stiess auf grossen Anklang: Über 100 Schüler meldeten sich an, 28 durften schliesslich teilnehmen. Die Jugendlichen fuhren im Februar nach Deutschland und kehrten begeistert zurück. Und das, obwohl einige schon etwas Angst hatten, ohne ihre Eltern zu verreisen und sich im Gastland in einer Fremdsprache verständigen zu müssen. «Es war stressig, ein Sprung ins kalte Wasser», erinnert sich Tiara. «Deutsch zu sprechen, war manchmal schwierig, wir konnten nicht wirklich Sätze bilden, sondern haben uns mit Wortfetzen verständigt.» Lorie erzählt: «Manchmal habe ich Google Translate genutzt. Doch jetzt sind wir ein bisschen motivierter und wir verstehen besser, was uns der Deutschunterricht bringt.»

Sich einer anderen Kultur gegenüber öffnen

Die Grossstadt Hamburg machte den Schülern aus Romont Eindruck: «Es gibt tolle Sehenswürdigkeiten, die Stadt ist megainteressant, auch wegen ihrer Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg», erzählt Elias. Alle gaben sich Mühe, die Sprache ihrer Austauschpartner zu sprechen, und bei einigen sprang der Funke über: «Als ich nach Hause kam, fragten meine Eltern, wie es gewesen sei, und ich antwortete ihnen auf Deutsch», erzählt Giuliano lachend. Die Freiburger Schüler freuten sich darum auch sehr, als sie Ende Mai ihre Hamburger Austauschpartnerinnen und -partner in Romont begrüssen und ihnen ihre Region zeigen durften. «Für 13- bis 14-Jährige ist so ein Austausch eine Erfahrung fürs Leben. Es ist oft das erste Mal, dass sie alleine verreisen. Es geht um viel mehr als nur um die Sprache. Ein Austausch hat auch eine menschliche und kulturelle Komponente», betont Olivier Crausaz.

Es geht um viel mehr als nur um die Sprache. Ein Austausch hat auch eine menschliche und kulturelle Komponente.

Lorène Sarrasin reist noch immer gern und fährt regelmässig nach Hamburg. «Hamburg ist mein zweites Zuhause», sagt sie. «Ich kann andere Lehrpersonen nur zu einem Auslandaufenthalt ermutigen, zum Beispiel im Rahmen des Sprachassistenzprogramms. Wenn die Lehrer einem Austausch positiv gegenüberstehen, motiviert das auch die Schüler», hält sie fest.

Für die Auswahl der Lehrpersonen und ihre Vermittlung an Bildungseinrichtungen in Deutschland, Österreich, Frankreich und Grossbritannien ist Movetia zuständig. Das Angebot wird von Lehrpersonen in Ausbildung oder frisch diplomierten Lehrpersonen rege genutzt. Lehrpersonen dagegen, die bereits unterrichten, wissen oft gar nicht, dass sie in den ersten drei Praxisjahren ebenfalls zum Programm zugelassen sind. Das Beispiel von Lorène Sarrasin zeigt, dass es möglich ist, sich zusammen mit dem Arbeitgeber so zu organisieren, dass man die Stelle nach der Rückkehr – mit neuen Impulsen im Gepäck – wieder übernehmen kann.