Das Mobilitätsprojekt des Schweizer Fleischfachverbands fördert Unterschiede in der Fachausbildung zwischen der Schweiz und den Niederlanden zu Tage. Marketing und Verkaufsthemen sind in der Fleischbranche in der Niederlanden frühe Schlagworte in der Ausbildung. Wohingegen in der Schweizer Ausbildung eine hohe Qualität bei der Verarbeitung und Veredelung im Vordergrund stehen. Ein Berufsfachschullehrer berichtet über seine Erfahrungen im Land des Marketingfleisches.


Quelle: Magazin «Fleisch & Feinkost die Schweizerische Metzgerzeitung»

Die Fleischwirtschaft sieht sich vielen neuen und alten Herausforderungen gegenüber. Die Ansprüche der Konsumentinnen und Konsumenten sind gestiegen, gleichzeitig ist Fleisch in Zeiten der Klimawandel-Proteste zu Unrecht in den Fokus der engagierten Jugend gerückt. In der Ausbildung sollte deshalb der neue Blick auf das hochwertige Produkt Schweizer Fleisch bereits berücksichtigt werden. Wie weit sind andere Länder? Im Rahmen eines einwöchigen Besuchs in den Niederlanden ab es die Möglichkeit, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Fachausbildung zu entdecken. Mit rund 1400 gewerblichen Metzgereien ist das Volumen deutlich grösser als in der Schweiz.

Wenige Unterschiede

Das Berufsbildungssystem ist ähnlich wie in der Schweiz aufgebaut, zeigt jedoch zwei starke Unterschiede:Supermarkt- und Systemgastro-Kompetenz ist von Anfang an Teil der Ausbildung. Und mit «Generation Food», einer gemeinsamen Initiative der SVO (svo.nl),einem Kompetenzzentrum der Food-Branche, besteht ein übergreifendes Gesamtkonzept zur Integration des Fleisches in den gesamten Foodmix – der Blick über den Tellerrand gehört in diesem speziellen Kurs sozusagen zum Konzept. Mehr als 25 verschiedene Kurse werden am SVO angeboten. Diese werden in folgende Hauptkategorien unterteilt: Handwerk, Out of Home/Fastfood, Supermarkt und Industrie. Die Ausbildung dauert drei Jahre, wird aber nach jedem Jahr geprüft und abgeschlossen. Nach dem dritten Jahr kann dann die Berufsprüfung gemacht werden, die mit einem speziellen Thema in Richtung Marketing, Verkauf, Kalkulation usw. beendet wird. Der Staat fördert die Berufsbildner, die eng mit den Lernenden zusammenarbeiten, mit 2700 Euro am Ende der erfolgreichen Ausbildung. Generell werden Marketingund Verkaufsthemen viel früher in die Ausbildung miteinbezogen. Der Marketingansatz der berühmten «6 P» wird den Lernenden sozusagen in die Knochen gemeisselt, ein wichtiger Unterschied zum schweizerischen System, das eine hohe Qualität bei der Verarbeitung und Veredelung in den Vordergrund stellt. Im niederländischen Lehrmittel werden solche Themen behandelt, was angesichts der zunehmenden internationalen Konkurrenz – auch durch Fleischersatzprodukte – nur folgerichtig erscheint.

Prüfungsstress

Während niederländische Lehrlinge jedes Jahr zur Prüfung antreten müssen, beweisen die Schweizer Kolleginnen und Kollegen eine hohe praktische Kompetenz und sind top auf die praktische Prüfung vorbereitet. Hierzulande nimmt man sich mehr Zeit zur Sicherstellung der Qualität als im Norden Europas, wo die Lehrlinge eher unter Prüfungsstress leiden und aufgrund ihrer theorielastigen Ausbildung eher weitere Studienrichtungen in Angriff nehmen. Ein Einblick in niederländische Grossbetriebe offenbart einen weiteren Unterschied zur Schweizer Fleischbranche: Die Kollegen denken dort gross und sind insgesamt innovativer in der markttauglichen Aufbereitung ihrer Produkte. So sind sie etwa stark in der Identifikation neuer Zielgruppen und in der passgenauen Bearbeitung des Marktes. Sie legen einfach los, was ihnen auch angesichts der lockereren Tierschutzgesetzgebung leichter fällt. Es sind einfach andere Dimensionen: einer der besuchten Betriebe schlachtet mehrere tausend Kälber – pro Tag.

Fazit: Wir müssen uns nicht verstecken, aber ...

Die Reise gab einen vertieften Einblick in die Ausbildung der niederländischen Fleischbranche und zeigt, dass die Schweizer Branche sich nicht kleinmachen muss, im Gegenteil: Ihre Qualität unter Einbezug der besonderen Marktsituation, dem Streben nach Umwelt- und Tierfreundlichkeit, ist ausserordentlich hoch. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz und des drohenden Imageverlustes sowie der ausgedünnten Zahl an gewerblichen Metzgereien – keine branchenspezifische  Besonderheit – wäre es aber nun angezeigt, nicht nur das fleischliche Fachwissen hochzuhalten, sondern auch die Fähigkeit, Zielgruppen und Märkte zu erschliessen. Das können wir definitiv von den Niederländern lernen: Fleisch muss sich besser verkaufen. Wenn Verkauf und Marketing sowie unternehmerisches Denken bereits in der Ausbildung eingeführt und gefördert würden, könnte die ganze Branche nur profitieren.

Lesen Sie den ganzen Bericht über das Austauprojekt in der Schweizer Metzgerzeitung «Fleisch und Feinkost». Den Download dazu finden Sie in der rechten Spalte.