Fabienne Harnisch und Aviel Leiser absolvieren beide eine Lehre als Schreiner/in. Letzten Herbst arbeiteten sie im Rahmen eines Austauschprogramms drei Wochen in einer Schreinerei in Norddeutschland. Im Gespräch blicken sie auf ihren nicht alltäglichen Einsatz zurück.


Interview: Peter Brand, Einsteiger

Frau Harnisch, Herr Leiser, Sie absolvierten während der Lehre einen Auslandaufenthalt. Was genau motivierte Sie dazu?

Aviel Leiser: Unsere Berufsfachschule, das Bildungszentrum Interlaken bzi, machte uns auf die Möglichkeit aufmerksam. Ich war zu Beginn eher zurückhaltend, denn drei Wochen im Ausland erschienen mir zu lang. Mein Vater ermunterte mich in der Folge zum Mitmachen. Nachträglich bin ich froh, dass ich teilgenommen habe.

Fabienne Harnisch: Ich wollte bereits ein Jahr früher mitmachen, war aber zu spät dran. Als das Thema ein Jahr später wieder aktuell wurde, meldete ich mich sofort an.

Was mussten Sie bei der Organisation beachten?

Leiser: Eigentlich nicht viel. Das bzi und der Schreinermeisterverband des Berner Oberlandes organisierten mit Movetia praktisch alles.

Harnisch: Wir Lernenden hatten tatsächlich keinen grossen Aufwand. Natürlich mussten wir unsere Lehrbetriebe von der Teilnahme überzeugen. Darüber hinaus galt es lediglich, umsichtig zu packen und nichts zu vergessen.

Und dann brachen Sie zusammen mit vier anderen Lernenden nach Norddeutschland auf, wo Sie in Schreinereien arbeiteten und die Berufsfachschule besuchten. Wo waren Sie genau?

Leiser: Die Berufsfachschule war in Stade. Diese Stadt liegt etwa eine Stunde von Hamburg entfernt. Mein Betrieb war in Himmelpforten. Ich arbeitete in einem Kleinbetrieb mit drei Personen. Das war für mich eine grosse Umstellung, denn in meinem Lehrbetrieb arbeiten rund 75 Personen.

Harnisch: Ich arbeitete in einer Schreinerei mit rund 15 Mitarbeitenden. Diese Grösse war ich mir nicht gewohnt. In der Freizeit unternahmen wir zu sechst vieles und hatten einen guten Zusammenhalt.

Sie arbeiteten drei Wochen dort. Wie verlief diese Zeit?

Leiser: Die Arbeiten waren nicht die gleichen wie in der Schweiz. Ich arbeitete zum Beispiel mehr mit Massivholz. Mein Gastbetrieb ist zudem spezialisiert auf den Treppenbau. Dieses Arbeitsgebiet kennen zu lernen, war sehr lehrreich.

Harnisch: Ich war vorher noch nie auf Montage. Nun war ich plötzlich fast ausschliesslich auf Montage. Das war schon eine Umstellung, aber auch eine Bereicherung. Die Arbeiten, die wir zu erledigen hatten, waren völlig anders. Wir führten zum Beispiel Malerarbeiten aus oder erledigten Abriss- und Räumungsarbeiten. Die Schreinereiarbeit wird dort ganz anders interpretiert.

Wenn Sie zurückblicken: Wie hat Ihnen Ihr Aufenthalt gefallen?

Leiser: Meine anfängliche Skepsis wich rasch. Die drei Wochen waren interessant und gingen wie im Flug vorbei. Ich schätzte den familiären Umgang im Kleinbetrieb. Der Empfang war herzlich, ich fühlte mich sofort zu Hause.

Harnisch: Auch ich fühlte mich in Norddeutschland wohl. Der Austausch klappte einwandfrei. Für mich waren die drei Wochen fast wie ein Ferienlager. Das Arbeitstempo war gemächlicher als bei uns in der Schweiz.

Was haben Sie gelernt – sei es für den Beruf, sei es fürs Leben?

Leiser: Ich lernte wie gesagt den Treppenbau kennen. Zudem konnte ich Fenster montieren. Das mache ich hier in der Schweiz weniger. Ich bin in den drei Wochen auch ein Stück selbstständiger geworden und lernte neue Kulturen sowie andere Denk- und Arbeitsweisen kennen.

Harnisch: Fachlich lernte ich vor allem, dass Schreinerin nicht gleich Schreinerin ist. Ich reiste bereits vorher viel, lebte aber nicht wirklich in einer anderen Kultur. So gesehen war das eine gute Erfahrung.

Nach Ihrer Rückkehr kam im Gegenzug je ein Lernender aus Norddeutschland in Ihren Lehrbetrieb und wohnte bei Ihnen zu Hause. Wie erlebten Sie diesen Teil?

Harnisch: Eher enttäuschend. Wir gaben uns grosse Mühe und organisierten sogar ein Feierabendprogramm. Das wurde aber nicht so geschätzt, was dazu führte, dass jeder seinen Dingen nachging. Das hing wohl auch damit zusammen, dass wir hier in der Schweiz sofort wieder Leistung bringen mussten. Diesen Wechsel konnten nicht alle vollziehen.

Leiser: Mein Austauschpartner hat sich rasch angewöhnt. Wir waren viel zusammen unterwegs. Eigentlich lernten wir uns beim praktischen Arbeiten erst in der Schweiz richtig kennen, denn als ich in seinem Lehrbetrieb war, war er wegen eines Unfalls krankgeschrieben.

Können Sie einen solchen Aufenthalt weiterempfehlen?

Harnisch: Auf jeden Fall. Über das Ganze gesehen war das eine echt gute Erfahrung. Man kann es gut oder weniger gut treffen, aber wichtig ist, was man daraus macht.

Leiser: Es tut gut, den Alltag und die eigene Bequemlichkeit kurz zu verlassen und etwas zu wagen. Wer nicht mitmacht, hat definitiv etwas verpasst.