Internationale Mobilität an Höheren Fachschulen? Das geht!

Wussten Sie, dass die Teilnahme am Swiss European Mobility Programme SEMP auch Höheren Fachschulen offensteht? Das Programm trägt wesentlich zur Internationalisierung der Schweizer Bildungsinstitutionen auf Tertiärstufe bei. Wir haben ein paar teilnehmende Höhere Fachschulen gefragt, wie das geht und was es Ihrer Institution bringt. Sie haben uns mitgeteilt, welches aus ihrer Sicht die grössten Vorteile des Programms sind und wie man mögliche Hürden in der Umsetzung am besten umschifft. 

Mobilität ist beliebt… und vielseitig

Eine Beobachtung vorweg: An den Höheren Fachschulen (HF), die am Swiss European Mobility Programme SEMP teilnehmen, ist die Nachfrage für Austausch und Mobilität gross. Simone Rogge, Head of Internship an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, ist gleichzeitig überrascht und erfreut, dass das Interesse am Angebot so gross ist und die Mobilitätszahlen so rasch steigen:  «Wir mussten bei Movetia sogar Gelder nachbeantragen, weil es so ein Run gibt. Es spricht sich herum!» An der Höheren Fachschule für Technik Mittelland (HFTM) in Grenchen musste Urs Schild, Dozent und Koordinator für internationale Beziehungen, zum Teil sogar schon Kandidaturen ablehnen. Die Praktikumsplätze in Finnland sind heiss begehrt. Daniel Hauser, Leiter Studiengang Kunst und Verantwortlicher für Mobilität an der Zürcher F+F Schule für Kunst und Design, stellt seinerseits fest, dass das Interesse etwas geringer ist als erwartet, und dass die Einschreibungen vor allem seit der Pandemie etwas stagnieren.  An der letzten Informationsveranstaltung zum Thema Mobilität waren trotz allem rund ein Viertel aller in den HF Studiengängen eingeschriebenen Studierenden anwesend. Am Bildungszentrum Pflege in Bern bewerben sich inzwischen sogar 52% der Studierenden um einen Austauschplatz im Ausland. Bis jetzt konnte Petra Bourkia, Leiterin Internationales und Diversität, immer für alle Kandidat:innen einen Platz finden. 
 

«Wir mussten bei Movetia sogar Gelder nachbeantragen, weil es so ein Run gibt. Es spricht sich herum!» 

Das von Movetia koordinierte Swiss European Mobility Programme (SEMP) bietet insgesamt vier Typen von Mobilität an: Studierendenmobilität Studium, Studierendenmobilität Praktikum, Personalmobilität Lehre und Personalmobilität Fortbildung. Das bei den Höheren Fachschulen beliebteste Mobilitätsangebot für Studierende ist die Mobilität zwecks Praktikums. Manche Institutionen bieten auch die Mobilität zwecks Studiums an, diese setzt jedoch kompatible oder vergleichbare Lehrpläne voraus. An der F+F machen die Praktika zwei Drittel der Mobilitätsaufenthalte aus, während an der HFTM aktuell ausschliesslich Aufenthalte zwecks Praktikums angeboten werden. Ein Auslandspraktikum erlaubt den Studierenden, in einem anderen Kontext und zum Teil in einer anderen Sprache Praxiserfahrung zu gewinnen und diese ihrer Ausbildung anrechnen zu lassen. Viele Höhere Fachschulen bieten nebst Studierendenmobilität auch Personalmobilität an und geben ihren Dozierenden und Mitarbeitenden so die Möglichkeit, ein paar Tage oder Wochen an Partnerinstitutionen zu unterrichten oder sich weiterzubilden.

Die Umsetzung von SEMP-Mobilitäten geht mit gewissen Anforderungen einher, wovon einige speziell für Höhere Fachschulen eine Herausforderung darstellen können. Es gibt aber zahlreiche kreative Ansätze, um diese Schwierigkeiten zu meistern, und dabei die Programmanforderungen trotz allem zu erfüllen. 

Mindestdauer der Aufenthalte – eine Herausforderung, verschiedene Lösungen

Eine oft erwähnte Herausforderung bei der Implementierung von SEMP-Mobilität an den Höheren Fachschulen ist die vorgegebene Mindestdauer von zwei Monaten für Studierendenmobilität. Petra Bourkia betont, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Schaffung von sogenannten «Mobilitätsfenstern» ist: «Wenn man sowieso eine Veränderung macht, z.B. eine Revision der Rahmenlehrpläne, dann würde ich empfehlen, dass man das nutzt und ein Zeitfenster spezifisch für Mobilität schafft. […] Es ist sonst meistens schwierig, in den laufenden Geschäften etwas zu ändern.» 

Am Bildungszentrum Pflege ist eine Austauscherfahrung fester Bestandteil des Lehrplans. Nebst den über SEMP geförderten Auslandaufenthalten bietet das BZ Pflege auch die Möglichkeit nationaler und internationaler Kurzaufenthalte von 2 Wochen, welche die Studierenden selbst finanzieren. So wird sichergestellt, dass alle Studierende im Laufe ihres Studiums eine Austauscherfahrung haben. Auch an der SHL sind die Praktika strukturell im Lehrplan verankert: Drei Praktika zu jeweils sechs Monaten gehören fest zur Ausbildung. An der HFTM hingegen war ein Einbau der Praktika in das Curriculum bis jetzt nicht möglich. Die Hürde der Mindestdauer wurde deshalb anders behoben: Studierende absolvieren das Auslandspraktikum während der Sommerpause. Die Mindestdauer wird eingehalten, indem die Diplomarbeit und das dazugehörige Vorprojekt Teil des Aufenthalts gemacht wurden.

Die Rolle des internationalen Netzwerks

Einer der wichtigsten Schlüssel zu erfolgreicher internationaler Mobilität ist ein gutes Netzwerk an internationalen Partnerinstitutionen. Alle Institutionen betonen, dass dieses Netzwerk in den meisten Fällen anfangs von persönlichen Kontakten ausgeht: «Das funktioniert fast nur so», meint Daniel Hauser von der F+F. Als Beispiel nennt er einen Fall, in dem eine Dozentin dank einem persönlichen Kontakt eine Studierendenmobilität an einer Institution einfädeln konnte, die Aufgrund ihrer Beliebtheit eigentlich auf die Unterzeichnung von neuen Mobilitätsabkommen verzichtet hatte. Ausgehend von diesen persönlichen Kontakten können in der Folge institutionelle Partnerschaften entstehen und/oder Praktikumsplätze im Ausland gesichert werden. Die Netzwerke im Ausland werden so oft über mehrere Jahre hinaus geduldig aufgebaut und gepflegt. Petra Bourkia und Simone Rogge erwähnen in diesem Zusammenhang auch die Rolle der internationalen Fachverbände, die für ihre Institutionen eine wichtige Rolle im Aufbau und der Ausweitung des Partnernetzwerks spielten. 

Vor allem am Anfang der Zusammenarbeit sind persönliche Besuche bei den Partnerinstitutionen wichtig. Sie helfen, das Vertrauen aufzubauen, die Verhältnisse vor Ort kennenzulernen und die Erwartungen abzuklären. «Man muss vor Ort gehen und eine Vertrauensbrücke aufbauen», so Urs Schild: «Und diese Vertrauensbrücke wird dann mit der Zeit immer breiter». Zur Finanzierung solcher «vorbereitende Besuche», stehen den Höheren Fachschulen spezielle Mittel zur Verfügung. Dieses Angebot wird von allen teilnehmenden Institutionen gerne genutzt, um den ersten Kontakt zu zukünftigen Partnerinstitutionen in Person herstellen zu können. Längerfristig kann auch die Personalmobilität dazu beitragen, den Kontakt zu den Partnern im Ausland zu pflegen, und weiter zu vertiefen. 

Etwas administrativer Mehraufwand…

SEMP-Mobilitäten müssen sorgfältig geplant und dokumentiert werden und entsprechend den qualitativen Grundsätzen des Programms durchgeführt werden. Die Vorgehensweise für die Nominierung und die Begleitung der Teilnehmenden ist jedoch den einzelnen Institutionen überlassen. Je nach Ressourcen und Grösse der Institution gibt es auch hier unterschiedliche Ansätze. 

Im Bereich der Praktika zum Beispiel kümmern sich manche Höheren Fachschulen um den Praktikumsplatz und nebenbei auch um die Organisation der Unterkunft. Andere überlassen die Organisation des Praktikums ganz den Studierenden und sehen diese Unabhängigkeit als Teil der Mobilitätserfahrung. An der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern wird erwartet, dass die Studierenden selber Verantwortung übernehmen: «Unsere Studierenden sind erwachsen. Sie wissen genau: Sie müssen selbständig etwas machen, wenn sie etwas wollen. Wir legen auch sonst viel in die Hände der Studierenden», meint Simone Rogge. Und: «Klare Regeln vereinfachen die Administration.» So wird, bei über 700 mobilen Studierenden, der administrative Aufwand unter Kontrolle gehalten. Simone Rogge leistet jedoch bei Visum-Fragen oder anderen Problemen gerne Unterstützung.

«Es ist eine unglaubliche Bereicherung für die Studierenden, das Personal und betriebliche Ideen. Es empowert eindrücklich.»

…für einen klaren Mehrwert!

Trotz des administrativen Mehraufwands ziehen die Institutionen eine sehr positive Bilanz. Ob Personal oder Studierende, die Erfahrung ist immer bereichernd, stellt Petra Bourkia fest: «Es ist eine unglaubliche Bereicherung für die Studierenden, das Personal und betriebliche Ideen. Es empowert eindrücklich. Wie stolz die Mitarbeitenden, die Studierenden sind!». Simone Rogge beobachtet bei ihren Studierenden auch die persönliche Weiterentwicklung: «Sie gehen um ihren Horizont zu erweitern: Meistens nicht nur für den fachlichen Bereich, sondern auch für den zwischenmenschlichen, sozialen und persönlichen Bereich». Der Mehrwert einer Mobilität wird auch von Seiten der zukünftigen Arbeitgeber signalisiert, meint Urs Schild: «Von Personalchefs und -chefinnen in der Industrie haben wir ganz klar das Feedback erhalten: Bei zwei CVs mit identischen fachlichen Qualifikationen wird die Person mit Auslanderfahrung vorgeladen.» An der F+F wird die Rolle des Austauschs auch spezifisch für das künstlerische Schaffen hervorgehoben: «Ein Mehrwert ist sicher, dass die Studierenden andere Perspektiven kennenlernen. Obwohl man in der gleichen Szene unterwegs ist, werden Probleme anders angeschaut und es gibt in anderen Ländern auch ganz einfach andere Probleme», so Daniel Hauser: «Das verschiebt die Perspektive auf die eigene Realität, auf das eigene Schaffen ¬- und das ist uns sehr wichtig.» Auch für die Institution selber sei dieser durch internationale Partnerschaften entstehende Perspektivenwechsel bereichernd: «Für die Institution selber ist es die Möglichkeit zur Zusammenarbeit, zum Ab- und Vergleich und der Zugang zu neuen Fragestellungen. Wir sind Teil der Wissensproduktion und da ist es spannend zu sehen, dass auf ähnliche Fragen anderswo andere Antworten gefunden werden.»

Petra Bourkia bestätigt: «Es führt zu einer Intensivierung der Beziehungen und die Qualität der eigenen Aufgaben nimmt zu. Das führt zu einem Kompetenzzuwachs für alle Beteiligten, aber auch zu Prestigegewinn sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Und es erlaubt der Institution, sich in der internationalen und nationalen Bildungssystematik zu positionieren.»

Erfolgsgeschichte in Guatemala City 

Die Höhere Fachschule für Rettungssanitäter (Ecole supérieure de soins ambulanciers ESAMB) in Genf beteiligt sich ebenfalls am SEMP. In diesem Rahmen konnte Tim, Student im 3. Jahr, für ein zweimonatiges Praktikum zu den Bomberos de Santa Isabel nach Guatemala reisen; eine unvergessliche Erfahrung und eine unglaubliche Bereicherung für den angehenden Rettungssanitäter. Unter ganz anderen Lebensbedingungen als in der Schweiz musste Tim lernen, mit anderen Pflegemethoden und begrenzten Mitteln zu arbeiten und so kleine und grosse Patienten zu betreuen. Diese Erfahrungen haben ihm noch mehr Freude am Lernen gegeben, und haben auch sein Selbstvertrauen und das Vertrauen in seine fachlichen Kompetenzen gestärkt. Tim berichtet auf dem Blog der ESAMB von seinen Erlebnissen – eine empfehlenswerte und inspirierende Lektüre! 
(nur auf Französisch verfügbar)

Interessiert? 

Mehr Informationen zum Swiss European Mobility Programme SEMP finden Sie hier.
Es sind zudem auch Factsheets zu den vier Typen SEMP-Mobilität verfügbar, sowie die Qualitätsgrundsätze des Programms.

Die Teilnahme am Swiss European Mobility Programme SEMP steht allen Höheren Fachschulen offen, die eidgenössisch anerkannten Bildungsgänge auf Tertiärstufe anbieten. 
Der erste Schritt, um am Programm teilnehmen und bei Movetia Fördergelder beantragen zu können, ist die SEMP Akkreditierung durch Movetia. Diese findet mit einem Antrag auf eine SEMP-Charta statt. In dieser Charta werden die Qualitätsgrundsätze des Programms festgehalten. Sie kann einmal jährlich bei Movetia beantragt werden. Nächste Antragsfrist: März 2023.

Unser Team berät Sie gerne zur Teilnahme am SEMP und zum Ablauf des Akkreditierungsverfahrens: erasmus@movetia.ch.