Gemeinsame Freizeitaktivitäten sind wichtig
Text und Bilder: Marie Vuilleumier
«Am Anfang war ich ein bisschen besorgt und dachte, dass das nicht gut kommt. Aber als ich meinen Austauschpartner zum ersten Mal traf, wusste ich, dass alles gut wird. Wir konnten uns trotz allem verständigen, obwohl ich gerade davor am meisten Angst hatte», erinnert sich Nicolas Charpié, der zuerst nicht sehr begeistert von der Idee war, am Ferienaustausch für 11–15-Jährige teilzunehmen, den Movetia gemeinsam mit den Kantonen organisiert. Der 13-Jährige aus dem jurassischen Alle befürchtete, er würde auf einen Austauschpartner treffen, der seine Interessen nicht teilt, und in einer Familie landen, die er nicht versteht. Trotz seiner Bedenken ermutigten ihn seine Eltern zur Teilnahme am Austauschprogramm. «Es ist das dritte Mal, dass wir mit unseren Kindern an einem solchen Austauschprogramm teilnehmen. Uns ist wichtig, dass sie Sprachen lernen, ihr Land entdecken und dabei lernen, auf andere zu zugehen», betont Agnès Charpié, Nicolas’ Mutter.
Wir konnten uns trotz allem verständigen, obwohl ich gerade davor am meisten Angst hatte.
Nicolas hat sich beim Kanton Jura und bei Movetia angemeldet und anschliessend einen gleichaltrigen Austauschpartner mit ähnlichen Interessen vorgeschlagen bekommen. Die Kontaktdaten der Familie Grütter aus dem bernischen Roggwil wurden anschliessend an die Familie Charpié übermittelt, damit die Eltern gemeinsam den Austausch organisieren konnten. Die beiden Familien einigten sich darauf, sich bei einem Treffen in Solothurn erst einmal kennenzulernen. Das Treffen lief gut und alle waren beruhigt. Als Nicolas Grütter am 19. Juli in Alle eintraf, um eine Woche mit seiner jurassischen Austauschfamilie zu verbringen, gingen die beiden Jungs gleich in den Garten, um die Hühner nass zu spritzen. «Sie hassen das», erklärt Nicolas Charpié schelmisch lächelnd. Anders als Nicolas Charpié musste sein Namensvetter aus dem Kanton Bern nicht für einen Austausch motiviert werden. «Ich habe mich sehr darauf gefreut. Die Reise in den Jura hat mir keine Angst gemacht. Hätte ich wirklich nichts verstanden, hätte ich mich halt mit Englisch durchgeschlagen», sagt Nicolas Grütter.
Sofort auf einer Wellenlänge
Auch die 12-jährige Coraline freute sich sehr auf die neue Erfahrung. «Sie kam aus der Schule mit Prospekten nach Hause und war sofort Feuer und Flamme. Dank dieser Begeisterung hat alles gut geklappt», erklärt Coralines Mutter Sylvie Eschmann. «Wir haben zum ersten Mal an einem solchen Austauschprogramm teilgenommen. Ich selbst hatte diese Chance nie und ich wollte sie meiner Tochter bieten.» Familie Eschmann aus Vicques und Familie Ohr aus dem Oberwallis
organisierten vor dem Austausch ein Treffen, um sich kennenzulernen. Als Jennifer schliesslich am 19. Juli im Kanton Jura ankam, lief alles wie am Schnürchen. «Da wir uns bereits kannten, gingen wir gleich mit unseren Wasserpistolen nach draussen. Später haben wir zusammen einen schönen Kuchen gebacken», erzählt Coraline.
Ich selbst hatte diese Chance nie und ich wollte sie meiner Tochter bieten.
Was die 11-Jährige motivierte, war die Vorstellung, ihre Freizeit mit einem gleichaltrigen Mädchen zu verbringen, das ebenso gerne Sport treibt und draussen in der Natur ist wie sie. «Ich wünschte mir eine Austauschpartnerin, mit der ich etwas unternehmen kann und der ich mein Dorf zeigen kann», erklärt Coraline. Jennifer hatte ähnliche Vorstellungen und freute sich darauf, zusammen mit Coraline eine Woche lang den Jura zu entdecken: «Sie ist mir sehr ähnlich und mag die gleichen Dinge. Ich freue mich schon darauf, ihr Zermatt zu zeigen.»
Den Wortschatz erweitern
Auch im jurassischen Alle unternahmen die Jungs viel gemeinsam. «Meine Geschwister sind älter als ich, dank dem Austausch konnte ich in der Freizeit etwas mit einem Gleichaltrigen unternehmen», erinnert sich Nicolas Charpié. Besonders freut es den leidenschaftlichen Reiter, dass er seinen Austauschpartner zu einem gemeinsamen Reitausflug motivieren konnte. Die Namensvetter räumen zwar ein, dass sie nicht besonders viel miteinander sprachen und sich manchmal mit der Kommunikation schwer taten. Das hinderte sie allerdings nicht daran, Spass miteinander zu haben. So radelten sie etwa wie Verrückte zum Schwimmbad, um dann den Sprung ins kühle Nass zu wagen.
Coraline und Jennifer waren etwas gesprächiger als die Jungs und hatten viel zu lachen, wenn die eine ein falsches Wort benutzte. «Ich habe dank dem Twister-Spiel mit Jennifer die Wörter ‹rechts› und ‹links› gelernt», erklärt Coraline. «Und ich habe beim Besuch eines Bauernhofs das Wort ‹poulain› kennengelernt», berichtet ihre Austauschpartnerin aus dem Oberwallis.
Bereits nach diesem ersten Teil des Austauschs im Jura ziehen die Familien Charpié und Eschmann eine positive Bilanz. Sie betonen aber auch, dass die Eltern viel Energie aufwenden müssen, damit alles reibungslos abläuft, und dass die Vorbereitungen und die Organisation von Freizeitaktivitäten viel Aufwand erfordern. Und schliesslich müssen die Eltern ihre Kinder auch noch dazu anregen, miteinander zu kommunizieren. Agnès und Jacques Charpié möchten ihren Sohn durch weitere Austauschprogramme für die deutsche Sprache sensibilisieren. Nicolas selbst ist etwas zurückhaltend und glaubt nicht, dass es mit einem anderen Austauschpartner ebenso gut laufen könnte. Bei der Familie Eschmann dagegen ist man sich einig: «Wir haben uns mit der Partnerfamilie so gut verstanden, dass wir sofort für einen weiteren Austausch zwischen Coraline und Jennifer, aber auch zwischen ihren jüngeren Schwestern zu haben sind», schliesst Sylvie Eschmann. «Wir überlegen uns sogar, gemeinsam mit der ganzen Familie Ohr Skifahren zu gehen.»