Ich habe verstanden, dass ein Beispiel nötig ist

Zuerst war die Idee, sich für die Förderung der Sprachaustausche junger Menschen einzusetzen und diese zur Teilnahme zu motivieren. Doch es ergab sich die Teilnahme an einem Austausch mit einem Partner aus dem Kanton Nidwalden. Héloïse Reveau, Lehrerin an einer Sekundarschule, erzählt uns von ihren Erfahrungen mit dem Austausch. Dieser Text wurde auch in der März-Ausgabe von L'Educateur veröffentlicht.

Wer eignet sich besser dafür, die Jugendlichen zu überzeugen, als eine überzeugte Lehrerin? Deshalb wollte ich diese Erfahrung, die das Leben prägt, testen und wie sie, mit einem ähnlichen Modell, einen Sprachaustausch machen. Okay, ich habe dies in meinem Leben schon einmal gemacht, vor langer Zeit, ich kann mich aber nicht mehr an die Gefühle dabei erinnern. Damals war ich jung. Ich griff also nach meiner Checkliste:

  • Projekt absegnen lassen: das heisst, die Partnerin oder den Partner und allfällige Kinder davon überzeugen, dass sie auch ohne den einen Elternteil überleben können
  • Mit dem Austauschpartner in Kontakt treten: mit zögerlichen E-Mails, teilweise in Französisch, teilweise in Deutsch (leo.org und linguee.fr sei Dank), und anschliessend, wenn das Vertrauen gross genug ist, auch per Telefon
  • Die Vorgesetzten informieren (Ich mag euch, aber ich gehe …)
  • Die Unterkunft auswählen (5, 4, 3 … 2 Sterne? Wie, es gibt in meinem Zimmer keinen Whirlpool?)
  • Den Zielort auf der Karte finden (Ach? So weit!) und sein GPS starten, um alles Glück auf seine Seite zu bringen und das Ziel beim ersten Versuch zu finden

Das Abenteuer in Ennetbürgen (bei Stans) am Ufer des Vierwaldstättersees konnte endlich beginnen.

Zuerst fand ein Treffen statt. Es vermittelte Gelassenheit, sich Zeit nehmen zu können, sich auszutauschen, zuzuhören, zu beobachten. Ich war eingeladen worden, war das Kuriosum, eine Person von Interesse, der man spezielle Beachtung schenkte. Man stellte sich vor, grüsste, stellte Fragen.

Am Ende des Tages war ich erschöpft. Weil das Verstehen der Sprache so viel Konzentration erforderte, wollte ich am Abend nur noch meinen Kopf leeren. Da traf es sich gut, dass ich allein war, ohne familiäre oder berufliche Verpflichtungen. Ich lüftete schnell meinen Kopf. Ich machte einen kurzen Abstecher ins Hotel, um gestärkt wieder auf Entdeckungstour zu gehen … Diesmal ins Dorf. Ich wollte den Ort, die Leute, das Ambiente spüren, um das Umfeld zu verstehen. Ich schlenderte durch die Quartiere, probierte Spezialitäten und ging, erst als es schon spät war, zurück ins Hotel, Kopf und Bauch voller süsser Erinnerungen. Ich ertappte mich dabei, wie ich plötzlich auf Deutsch zu träumen begann, auf Schweizerdeutsch oder vielleicht in einer ähnlichen Sprache, die ich nicht sehr gut kann. Den Wecker stellte ich auf frühmorgens, denn die Schule beginnt in dieser Region zu äusserst morgendlicher Stunde.

Dort …

… schlendert man in Hausschuhen oder Socken herum.

… stehen ein Töggelikasten, ein Klavier, ein Fotoapparat und ein 3D-Drucker für die Verwendung im Unterricht zur Verfügung.

… stehen neben dem Lavabo Trinkbecher mit den Namen, und wer Durst hat, geht etwas trinken.

… werden Projekte in der gesamten Schule durchgeführt, die verschiedene Schulstufen mischen.

… läutet die Schulglocke sanft, jede Stunde, ohne diese in verschiedene Lektionen zu unterteilen.

… wird ein praktischer Ansatz verfolgt, man ist konkret, denkt unternehmerisch, an die Zukunft, die Eingliederung ins Berufsleben.

… stehen die Schülerinnen und Schüler im Zentrum. Man passt sich ihnen an und nicht umgekehrt.

Das Ambiente scheint eher permissiv als restriktiv/repressiv. Es existiert ein Rahmen, der jedoch nicht unterdrückt. Er soll Sicherheit und Struktur geben. Die Schule erscheint als warmer, sozialer Ort, an dem Energien mobilisiert werden. Die Lehrpersonen arbeiten für die Institution. Sie bleiben über Mittag, um mit den Schülerinnen und Schülern die während des Hauswirtschaftsunterrichts gekochten Speisen zu essen. Zwischen Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen und Schulleitung herrscht ein richtiger Gruppenzusammenhalt. Die Hierarchie verblasst zugunsten der Einheit. Alle ziehen am selben Strick.

Kann die Schule ein erfüllender Ort sein?

Meine Erzählung mag idyllisch scheinen, ich gebe es zu. Sie ist ganz klar romantisiert, aber sie zeigt, auf welcher kleinen Wolke ich während dieser paaren Tage schwebte. Ich sog alles in mich auf und liess mich davon inspirieren. Ich kam zurück mit dem Antrieb, mich noch mehr an den Schülerinnen und Schülern zu orientieren, die Interessen der einzelnen zu fördern und nicht nur die, die allen gemeinsam sind. Jede Schülerin und jeder Schüler ist ein vollwertiges Individuum. Ich bin der Meinung, dass die Schule ein Ort sein sollte, an dem man darf, und nicht einer, an dem man muss. Man sollte in die Schule kommen, weil man da zusammenarbeitet, etwas lernt, sich gut fühlt. Man sollte den Sinn und den Nutzen darin erkennen, seinen Weg in Richtung Berufsleben zu skizzieren. Es liegt an uns, dem Lehrkörper, uns zu wandeln, zu experimentieren, unsere Praxis anzupassen, damit wir die Schülerinnen und Schüler besser begleiten können.

Den Schülerinnen und Schülern wird gesagt, Sprachaustausche seien wertvoll, bildend und formend. Ich hatte vergessen, wie sehr das auch für die weniger jungen Menschen gilt.