SVEB erzählt über Mehrwert und Erfahrungen in einem europäischen Kooperationsprojekt in der Erwachsenenbildung

Kooperationsprojekte leisten einen Beitrag zur gemeinsamen Lösungssuche angesichts globaler Herausforderungen. Ein vielversprechendes Projekt des SVEBs (Schweizerischer Verband für Weiterbildung) sticht hier heraus: «DIDO - Reduzierung des Ausbildungsabbruchs in der Nachholbildung (2017-2020)». Die ehemalige Projektleiterin Martina Fleischli, heute bei Movetia tätig, spricht über ihre Erfahrungen sowie die Vorteile der internationalen Kooperation.

Das europäische Projekt DIDO – dropping in the dropout – entwickelte Methoden für Kursleitende, damit diese Ausbildungsabbrüche frühzeitig erkennen und verhindern können.  Die methodisch-didaktische Materialien wurden auf der Grundlage einer Recherche zu Abbruchgründen in den Partnerländern entwickelt. Der SVEB war Teil des europäischen Projektkonsortiums. In der Schweiz arbeitete er mit fünf Bildungsanbietern zusammen, um die Materialien zu entwickeln.

Wie ist diese Kooperation zustande gekommen? Wie/Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Partner kennengelernt/ausgewählt?

Mit der belgischen Projektkoordinatorin habe ich in einem früheren Erasmus+-Projekt zusammengearbeitet. Ich habe sie angefragt, ob sie Projekte am Entwickeln sei, die für den SVEB relevant sind, und ob wir dazu beitragen könnten. Da die Mitarbeit des SVEB einen Mehrwert für das Projekt darstellt, wurden wir eingeladen, uns am Projekt zu beteiligen.

Die Projektkoordinatorin hatte bereits drei Partner ausgewählt, die die erforderliche Expertise mitbrachten. In den jeweiligen Netzwerken suchten wir anschliessend einen vierten Partner mit Forschungsexpertise, der auch die geplante transnationale Weiterbildung organisieren könnte. Fündig wurden wir mit einer Organisation aus Portugal.

Mit welchen Herausforderungen sahen Sie sich in diesem Projekt konfrontiert?

Die grösste Herausforderung bestand darin, relevante und qualitativ hochwertige Produkte zu erarbeiten für sehr heterogene Kontexte und Bedürfnisse. Didaktische Tools beispielsweise, die für Kursleitende in einem Partnerland eine wertvolle Bereicherung für den Lehr-Prozess darstellen, sind in einem anderen Partnerland redundant oder irrelevant. So wurde eine breite Palette an Tools entwickelt, die für die jeweils unterschiedlichen Kontexte geeignet sind.

Die Erarbeitung der Tools in länderübergreifenden Entwicklungsteams war einerseits bereichernd, weil so die vielseitigen Erfahrungen und Expertisen der verschiedenen Länder einfliessen konnten. Andererseits entwickelten einzelne dieser Teams Tools, die einzig dem grössten gemeinsamen Nenner entsprachen, was deren Qualität und Nutzen teilweise reduzierte.

Schliesslich waren auch die Kommunikation (man sprach nicht dieselbe Sprache) und die Koordination (man war weit weg von einander) in den länderübergreifenden Teams nicht ganz einfach.

Was hat Ihnen an diesem Projekt am besten gefallen?

Erstens hat mir die Arbeit an einem Thema gefallen, das bedeutsam und konkret ist. Das Thema der Abbrüche in der Aus- und Weiterbildung betrifft die grosse Mehrheit der Bildungsanbieter. Grundlagen zu entwickeln, die Anbieter unterstützen, das Problem anzugehen, entspricht daher einem konkreten Bedürfnis.

Zweitens fand ich den Einbezug der PraktikerInnen und Fachleute aus der Schweiz und den Partnerländern sehr bereichernd und spannend. Wir konnten so Tools mit der Praxis für die Praxis entwickeln.

Drittens ermöglichte dieser Einbezug der Fachleute und PraktikerInnen aus den verschiedenen Ländern, dass viel Expertise und Erfahrung aus unterschiedlichen Kontexten direkt in das Projekt einflossen. Das Projekt DIDO ist ein gutes Beispiel dafür, wie Diversität die Arbeit bereichern kann, auch wenn zur Kommunikation und Koordination ein zusätzlicher Effort nötig ist.

Ich fand den Einbezug der Praktiker/-innen und Fachleute aus der Schweiz und den Partnerländern sehr bereichernd und spannend. Wir konnten so Tools mit der Praxis für die Praxis entwickeln.

Können Sie eine spezielle Anekdote im Zusammenhang mit diesem Projekt erzählen?

Im Projekt entwickelten wir methodisch-didaktische Instrumente, um Lernende zu motivieren und so Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Ein Ansatz war, die Gruppendynamik mit Lernaktivitäten zu fördern. Im Sinne eines didaktischen Doppeldeckers organisierte die Projektkoordinatorin am Kick-off-Meeting verschiedene Übungen mit den ProjektteilnehmerInnen. In diversen Spielen lernten wir unsere Gemeinsamkeiten und fun facts übereinander kennen. Es war erstaunlich, wie dieses spielerische Kennenlernen die Zusammenarbeit im Projekt vereinfachte: Die ProjektteilnehmerInnen hatten wenig Berührungsängste und einen vertrauten Umgang miteinander, trotz den kulturellen und sprachlichen Barrieren.

Die Projektteilnehmer/innen hatten wenig Berührungsängste und einen vertrauten Umgang miteinander, trotz den kulturellen und sprachlichen Barrieren.

Ich gehe davon aus, dass die Arbeitssprache Englisch war. Wie erlebten Sie die Kommunikation mit Ihren Projektpartnern? Welche Vor- oder Nachteile brachte dies mit sich?

Der Vorteil des Englischen als Arbeitssprache war, dass alle in nur einer Sprache kommunizierten. Weil niemand Englischer Muttersprache war, entstand auch keine «Hierarchie», die sich manchmal entwickelt, wenn Muttersprachler im Projekt sind.

Andererseits ist die Kommunikation in einer Fremdsprache viel weniger präzise und Missverständnisse kommen öfters vor. Ich erinnere mich an das Kick-off-Treffen, an dem die Nerven nach einem halben Tag blank lagen: Wir diskutierten und definierten die Ziele des Projektes und die nötigen Aktivitäten. Die Projektpartner waren sich zum Beispiel nicht einig, welchen Aufwand eine wissenschaftliche qualitative Erhebung mit sich bringt. Zu den Schwierigkeiten, seine Vorstellungen sprachlich zu artikulieren, kamen die unterschiedlichen Fachgebiete hinzu (Kursleitende vs. Forschende).

Wie werden die Ergebnisse des Projekts in der Schweiz verbreitet und genutzt?

Der SVEB arbeitete in der Schweiz mit Fachpersonen von fünf Bildungsanbietern zusammen. Diese Schweizer «DIDO-ExpertInnen» fungierten als MultiplikatorInnen: Sie verbreiteten ihre Erfahrungen und das DIDO-Toolkit in ihrem professionellen Umfeld. Dadurch konnten die Tools quasi durch die EntwicklerInnen direkt weitergegeben werden.

Zudem nutzte der SVEB seine Kommunikationskanäle: Auf der eigenen Webseite und im Newsletter wurde über das Projekt und seine Ergebnisse informiert. Das war wichtig, um die Ergebnisse zu verbreiten und deren Nutzung sicherzustellen, um diese in anderen Projekten des SVEB und in seinen Netzwerken einzubringen.

Was würden Sie interessierten Institutionen empfehlen, die sich an einem Kooperationsprojekt beteiligen möchten?

Die erste Hürde für eine Schweizer Institution, um sich an einem Kooperationsprojekt zu beteiligen, ist es einen Partner zu finden, der bereit ist, als Koordinator ein Projekt einzugeben. Als assoziierter Projektpartner ist man darauf angewiesen.

So würde ich mir als erstes überlegen, welche Kontakte man in Europa bereits hat und diese für eine Zusammenarbeit anfragen. Wenn ein potentieller Projektpartner bereits Erfahrung in Kooperationsprojekten hat, umso besser für ihn. So ist er eher für den administrativen Aufwand solcher Projekte auf europäischer Ebene gewappnet.

Wenn man mit Erasmus+-unerfahrenen Partnern zusammenarbeiten möchte, empfehle ich mit einem Mobilitätsprojekt zu starten. Der Einstieg ist niederschwelliger, sowohl für den europäischen als auch für den Schweizer Partner.

Warum sind Förderprogramme für internationale Kooperationsprojekte in der Erwachsenenbildung so wichtig?

Die Erwachsenenbildung ist ein sehr dynamisches Feld. Für Bildungsanbieter in diesem Bereich ist es überlebensnotwenig, sich weiterzuentwickeln und auf die sich ändernde Nachfrage reagieren zu können. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit europäischen Partnern ermöglichen eine kritische Reflexion der eigenen Praxis und bringen viele Denkanstösse. Dadurch entstehen Innovation und eine verbesserte Qualität von Bildungsangeboten.

Förderprogramme sind nötig, weil Ansätze und Instrumente entwickelt werden, die einem reellen Bedarf entsprechen und somit einen Mehrwert für das Bildungswesen und die Gesellschaft generieren.

Partnerschaften über die Landesgrenzen hinaus zu fördern, ist deshalb wichtig, weil Diversität bereichert. Dank der Heterogenität in der europäischen Erwachsenenbildung, existieren ganz unterschiedliche Erfahrungen und Expertisen. Die einzelnen Länder sind quasi Versuchslabors verschiedener Strategien und Ansätze. Durch den transnationalen Austausch können die Projektpartner von den Erfahrungen der unterschiedlichen Herangehensweisen lernen.

Die Zusammenarbeit und der Austausch mit europäischen Partnern ermöglichen eine kritische Reflexion der eigenen Praxis und bringen viele Denkanstösse.

Welchen Vorteil zieht der SVEB aus einer strategischen Partnerschaft mit europäischen Partnerinstitutionen?

Ganz konkret profitiert der SVEB von den Projektergebnissen, die er danach selber anwendet oder seinen Mitgliedern zur Verfügung stellt. Die europäische Zusammenarbeit hilft, innovative und qualitativ hochwertige Ergebnisse zu entwickeln. Die Tools aus dem Projekt DIDO beispielsweise stehen Bildungsanbietern in der Schweiz kostenlos zur Verfügung und helfen, Ausbildungsabbrüche systematisch anzugehen.

Schliesslich fördern Kooperationsprojekte auch das Fachwissen und die Haltungen der involvierten SVEB-Mitarbeitenden. Zum Beispiel vermittelte das Projekt DIDO Wissen und Beispiele zur Lernerzentrierung oder zur Rolle der Beratung in Bildungsangeboten. 

Wie erlebten Sie die Unterstützung von Movetia für Ihr Projekt?

Ich erlebe den Austausch mit Movetia als direkt, unkompliziert und hilfreich. Die finanzielle Unterstützung ermöglicht eine fundierte und spannende Arbeit des SVEB, aus der für die Schweizer Weiterbildung relevante Ergebnisse entstehen.

Im Vergleich zu den Förderprozessen anderer Nationalagenturen ist die Schweizer Lösung unbürokratisch, was auch kleinen Anbietern erlaubt, Projekte einzugeben.

Fragen von Charlotte-Sophie Ramseier, Projektverantwortliche Erwachsenenbildung, Movetia

Antworten von Martina Fleischli, früher Projektleiterin SVEB, heute Projektverantwortliche Berufsbildung bei Movetia

Kontakt

Ansprechperson: Charlotte-Sophie Ramseier
32 462 00 70 erwachsenenbildung@movetia.ch